
Schweizer Jakobsweg – Tag 16
Mittwoch, 18.05.2022: Von Moudon nach Lausanne (30 km)
Ich machte mich früh auf den Weg, da es doch etwa 30 km bis Lausanne und es ein wirklich heißer Tag werden sollte. Ich traf auch keine anderen Pilger unterwegs. Wahrscheinlich war ich vor ihnen aufgebrochen. Ich kann mir denken, dass einige nur bis Montpreveyres unterwegs waren, was etwa auf der Hälfte der Strecke lag. Dort gibt es eine kleine Pilgerherberge auf Spendenbasis mit bislang 4 Betten im dortigen Pfarrhaus. Wenn man dort rechtzeitig reserviert ist das bestimmt eine gute Adresse.



Der Weg war angenehm zu gehen und brachte immer wieder Überraschungen unterwegs. Gegen Mittag zog mich eine Gaststätte so magisch an, dass ich eine Abzweigung übersah. Ich war aus einem Waldstück gekommen und hatte nur den in etwa 500 m vor mir liegenden Ort vor Augen, so dass ich den Abzweig am Ausgang des Waldes verpasste. Das merkte ich erst, als ich anschließend weitergehen wollte und an der großen Kreuzung im Ort keinerlei Hinweise auf den Jakobsweg fand. Ich schaute auf die Karte auf meinem Handy und beschloss, ein Stück der Straße zu folgen, die dann nach etwa 2 km wieder auf den Weg führte.



An einer Kapelle auf dem Berg gab es dann auch den ersten Blick auf den Genfer See.


Gegen 14:30 Uhr kam in Epalinges an. Es gab hier eine U-Bahn-Station, die bis ins Zentrum führte. Obwohl eine Temperaturtafel 36 Grad anzeigte, war es keine Frage für mich, weiterzulaufen bis Lausanne.

Allerdings schlängelte sich der Weg durch ein Waldstück hin und her und ich hatte den Eindruck, dass ich der Stadt nicht wirklich näher kam. Schließlich fragte ich einen Mann, der mit seinen Kindern im Wald an einen Bachlauf spielte, wie weit es noch sei bis Lausanne. Die Antwort war dann doch ziemlich entmutigend. Bis in Zentrum sei es noch eine gute Stunde, bis an den See 1,5 bis 2 Stunden. Allerdings käme ich in 10 Minuten an einer Bushaltestelle vorbei, von der ein Bus ins Zentrum fährt.

An der Bushaltestelle angekommen studierte ich den Fahrplan. Tatsächlich sollte in ein paar Minuten ein Bus kommen, der sogar bis Vallee de la Jeunesse in die Nähe der Jugendherberge fuhr, in der ich übernachten wollte.
Angesichts der Hitze und der nicht wírklich verlockenden Aussicht, 1,5 Stunden durch die ganze Stadt zu laufen, beschloss ich den Bus zu nehmen. Dieser brauchte auch 35 Minuten bis zu meiner Haltestelle. Ich war froh, diese Variante gewählt zu haben.
Ich checkte an der Rezeption ein und bekam ein 5er-Zimmer zugewiesen. Dort wuselte schon ein junger Kerl umher, der sich chic machte. Er entfernte an seinen Klamotten gerade die Preisschilder. Er erzählte mir, dass er zu einem Vorstellungsgespräch wollte und sich dafür gerade neue Sachen gekauft hatte. Schließlich kam er noch zu mir und fragte, ob ich eine Krawatte binden könne. Ich war viele Jahre mit Krawatte ins Büro gegangen und half ihm natürlich gern. Danach sputete er sich zu seinem Vorstellungstermin. Ich traf ihn später noch mal an der Rezeption und er war sehr optimistisch, dass er erfolgreich gewesen war und den Job bekommen sollte.
Überhaupt war unsere Zimmerbelegung sehr bunt. Neben mir und dem jungen Kerl gab es noch einen etwas älteren Spanier, der auch auf Jobsuche in der Schweiz war. Außerdem gab es noch einen Arbeiter, der einige Tage in der Jugendherberge verbrachte und sich morgens um 6 auf den Weg in die Arbeit machte.
Ich machte mich nach dem Duschen dann auf den Weg an das Ufer des nahegelegenen Genfer Sees. Hier tobte wirklich der Bär. Es waren so viele Leute unterwegs, die irgendwie sportlich unterwegs waren. Es gab Jogger, Ruderer, Beach-Volleyballer, Yoga-Gruppen, ein Leichtathletik Stadion mit vielen Athleten. Höhepunkt für mich war ein Highlighner, der seine Leine über dem See gespannt hatte und unglaubliche Salti und Sprünge auf dem schwankenden Band vorführte. Es war beeindruckend, die sportlichen Aktivitäten in dieser Stadt zu sehen, gefördert vielleicht auch vom Internationalen Olympischen Committee IOC, das hier in Lausanne seinen Sitz hat.

Später ging ich zurück in die Jugendherberge, die wirklich sehr gut ausgestattet ist und sogar eine Bar hat. Ich traf auf Gabi, eine Pilgerin, mit der ich beim Einchecken schon ein wenig geplaudert hatte, und die ganz neidisch auf meinen kleinen, leichten Rucksack war. Gut, sie hatte ein paar Monate Zeit und wollte bis nach Santiago laufen. Bei ihr saß Silvia, eine weitere Pilgerin aus der Schweiz. Was ich zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht wusste: Silvia und ich sollten uns ein Jahr später zufällig wieder in einer Pilgerherberge in Frankreich wieder treffen sollten und später mal 10 Tage gemeinsam durch Frankreich pilgern. Es war auf jeden Fall ein netter Abend mit den beiden. Überraschenderweise erinnerten Silvia und ich uns ein Jahr später noch daran, worüber wir an dem Abend gesprochen hatten. 😊
Praktische Tipps
Informationen zur kleinen Pilgerherberge in Montpreveyres.
Deutlich größer ist die Auberge de Jeunesse in Lausanne mit 320 Betten.