Schweizer Jakobsweg – Tag 11

Schweizer Jakobsweg – Tag 11

Donnerstag, 24.06.2021: Von Interlaken nach Amsoldingen (30 km)

Am nächsten Morgen gab es noch ein gutes Frühstück in der Herberge, bevor ich mich auf den Weg machte, um mein Tagesziel Amsoldingen zu erreichen. Im Nachhinein ist es mir immer noch schleierhaft, wieso die Webseite https://camino-europe.eu/de/eu/switzerland/jakobswege-schweiz/ den Schweizer Jakobsweg in die Abschnitte „Einsiedeln – Brünigpass“, „Brünigpass – Amsoldingen“, „Amsoldingen – Romont“ und „Romont – Geneve“ einteilt. Während die Zielorte wie Einsiedeln, Brünigpass, Romont und Genf durchaus prägnant sind, ist Amsolmdingen völlig unscheinbar und belanglos. Vielleicht verläuft hier irgendeine Kantonsgrenze?

Das Wetter machte mir am Morgen noch einige Sorgen

Egal! Da es in Amsolmdingen nur eine Unterkunft gibt, rief ich in der Früh vor meinem Start noch an und reservierte mir die Übernachtung. Die nette ältere Dame gab mir am Telefon noch mit auf den Weg, dass das Gasthaus in Amsolmdingen seit über einem Jahr geschlossen sei. Es gäbe aber eine gute Käserei im Ort, bei der ich mich mit Käse zum Abendessen versorgen könne. Die habe aber nur von 17 – 19 Uhr auf. Und Brot würde sie mir bereitstellen fürs Abendessen und fürs Frühstück. Nachdem das geregelt war machte ich mich gegen 08:30 Uhr zügig auf den Weg, da ja doch 30 km vor mir lagen.

Allerdings schaute ich immer etwas sorgenvoll auf die Wolken am Himmel, denn es sah irgendwie nach Gewitter aus. Das kam dann auch nach etwa 20 Minuten, begleitet von heftigem Regen. Ich hatte zum Glück gerade eine große Brücke erreicht, wo ich mich erstmal für 30 Minuten unterstellte, bis der Regen und das Gewitter nachgelassen hatten. Es sollte eh ein Tag mit einigen Überraschungen und Highlights werden.

Danach kam ich zügig voran und der Weg vom Brienzer See zum Thuner See ging durch ein Sumpfgebiet und Landschaftsschutzgebiet, mit vielen verschiedenen Vogelarten und war landschaftlich – wie so oft in der Schweiz – ein Traum. Am Thuner See ging es dann bergauf auf einen Höhenweg oberhalb des Sees mit wunderbaren Ausblicken auf den See.

Gegen 10:45 erreichte ich dann die Beatushöhlen. Das ist eine wunderbare Anlage, mit mehreren unterirdischen Grotten, die von einem Fluss durchflossen werden. Es war die perfekte Zeit, um erstmal einen Kaffee zu trinken.

Danach überlegte ich, ob ich in die Höhlen gehen sollte. Die kostete Eintritt und ich fragte an der Kasse, wie lange man brauchen würde, um die Höhlen zu besichtigen. Etwa 1 bis 1,5 Stunden war die Antwort. Ich überlegte kurz wie ich zeitlich unterwegs war, denn der nächste Ort nach den Beatushöhlen war Merligen, wo ich das Schiff nehmen musste um über den Thuner See überzusetzen. Und ich hatte in der Früh ja schon 30 Minuten durch das Gewitter verloren. Ich kalkulierte kurz die Zeit und entschied mich dann, nicht in die Höhlen zu gehen.

Ich streifte draußen vor den Höhlen noch 10 Minuten herum, betrachtete die Touristen, die langsam eintrafen und begann dann abzusteigen Richtung Merligen. Ich drehte mich noch mal um, und genoss den wunderbaren Ansicht des Wasserfalls, der aus den Höhlen heraustrat. „Hej“, dachte ich mir dann, „wahrscheinlich komme ich nie wieder im Leben hier her. Die Chance, jetzt die Beatushöhlen anzuschauen, darf ich mir eigentlich nicht entgehen lassen. Und wenn ich dann auf meinem weiteren Weg bis Amsoldingen improvisieren muss, dann wird das schon irgendwie klappen!“

Also stand ich 2 Minuten später wieder an der Kasse und löste doch die Eintrittskarte. Zwar beeilte ich mich etwas, den Weg durch die Höhle zu gehen, aber die Höhlen mit dem Fluss und den kleinen Seen unter der Erde sind einfach einmalig. Das nicht gesehen zu haben, hätte mich wahrscheinlich ewig geärgert. Es war es absolut wert, noch mal umzudrehen und die Höhle mitzunehmen. Eine gute Stunde später war ich wieder draußen.

Ich schaute auf die Uhr. Ich hatte noch eine Stunde und 10 Minuten bis zur Abfahrt des Schiffes. Danach hätte ich 1,5 Stunden auf das nächste Schiff warten müssen. Der Wegweiser sagte 1 Stunde 30 Minuten bis zum Anleger. In Deutschland hätte ich gesagt, „das schaffe ich leicht“, weil die Gehzeiten eher großzügig kalkuliert sind. Wer aber die Schilder mit den Zeitangaben in der Schweiz kennt, der weiß, dass die angegebene Zeit knapp bemessen ist. Ich hatte bislang die Erfahrung gemacht, dass die Zeiten ungefähr meiner Gehzeit entsprachen. Was solls – ich musste es versuchen. Also legte ich einen großen Gang ein und war wirklich zügig unterwegs. Zum Glück ging es fast immer leicht bergab und tatsächlich stand ich 5 Minuten vor Abfahrt des Schiffes am Anleger 😊.

Geschafft – Ich war eher am Anleger als das Schiff

Ich nahm das Schiff nach Spiez und war einfach glücklich, dass ich mich entschieden hatte, die Beatushöhlen anzuschauen.

Gegen 13:30 Uhr kam ich dann in Spiez. Zumindest für die älteren Fußballfans (und dazu zähle ich mich auch) hat Spiez eine besondere Bedeutung. Zwar habe ich die WM 1954 in der Schweiz noch nicht selbst erlebt (ich bin erst 1963 geboren), aber mein Vater erzählte mir oft vom Geist von Spiez, der die deutschen Spieler bei der WM erfasst hat. Die deutsche Mannschaft hatte ihr Quartier in Spiez und kam bis in Finale in Bern. Dort gewann die Mannschaft völlig überraschend gegen den großen Favoriten aus Ungarn mit Ferenc Puczkas mit 3-2. Daran musste ich denken, als ich Spiez ausstieg.

Spiez hat eine gute touristische Infrastruktur. So gab es einige Restaurants und ich genehmigte mir noch eine Portion Spaghetti Bolognese, da es ja Abends in Amsoldingen nichts Warmes zu essen gab. Das gab mir auch die notwendige Energie, um die restliche Etappe noch anzugehen

Nicht zu verfehlen der Jakobsweg!

Gegen 14:30 Uhr machte ich mich dann auf die verbleibenden rund 13 km nach Amsoldingen. Ich passierte noch die Strättligburg, für die ich mir aber nicht viel Zeit nahm. Ich kam dann auch durch den Ort Einigen, der mir deswegen in Erinnerung geblieben ist, weil hier der Weg direkt an einer viel befahrenen Straße lang ging und nicht wirklich schön war. Wahrscheinlich war ich aber auch verwöhnt von dem bisherigen Weg durch die Schweiz.

Es fing auch immer mal wieder leicht an zu regnen, aber es regnete nie wirklich richtig heftig. So kam ich gegen 18:00 Uhr in Amsoldingen an. Rechtzeitig also, um noch in der Käserei für mein Abendessen zu sorgen. Und der kleine Käseladen war wirklich nett. Guter Käse und eine Flasche Wein – dazu eine nette Verkäuferin. Was will man mehr?

Frischen Käse, guten Wein und kräftiges Brot – Perfektes Abendessen 😊

Die ältere Dame, mit der ich morgens telefoniert hatte, empfing mich freundlich und zeigte mir die Unterkunft. Es war ein altes Bauernhaus im Ort, dass ich in der Nacht ganz alleine bewohnte. Ich muss zugeben, dass das ganze schon etwas Unheimliches hatte. Für ängstliche Menschen würde ich die Unterkunft nicht empfehlen. Mein Gedanken war, wenn ich Frau wäre und alleine unterwegs wäre, würde ich mich hier wahrscheinlich unwohl fühlen.

Da ich allein im Haus war, entschied ich mich für das große Doppelbett
Die Bauernstube wäre der alternative Platz zum Schlafen gewesen

Die Unterkunft war als Bed&Breakfast angeboten. Da die ältere Dame aber morgens immer einen großen Spaziergang machte, wie sie mir erzählte, stellte sie mir bereits am Abend alles hin für das Frühstück. Also Butter und Marmelade waren im Kühlschrank, aber es gab nur einen Wasserkocher und löslichen Kaffee. Ich muss gestehen, dass ich löslichen Kaffee verweigere. Es gab also an diesem Morgen einen Tee. Meine Vermieterin sagte mir dann auch noch, dass ich das Geschirr einfach hinstellen könne und nicht abzuwaschen brauche. Da war ich aber froh, dass ich in einem B&B nicht abwaschen und die Wohnung putzen muss 😉.

Doch das Beste kommt immer zum Schluss: Ich entdeckte dann noch eine Waschmaschine und einen Trockner. Ich war ja allein in dem Haus und ich hatte noch viel Zeit, da es im Ort nichts Weiteres zu sehen oder zu tun gab. Jetzt kann ich es ja gestehen: Ohne groß zu fragen nutzte ich Waschmaschine und Trockner und wusch meine Wäsche, so dass ich für die restlichen Tage gerüstet war.

Praktische Tipps

Die Beatushöhlen sind wirklich sehenswert und wie beschrieben und auf den Bildern ersichtlich, einen Stopp wert!

Die Überfahrt über den Thuner See geht von Merligen nach Spiez. Den Fahrplan findet man unter https://www.bls-schiff.ch/de/schifffahrt/fahrplan. Es gibt auch eine alternative Pilgerroute über Thun.

Mein Unterkunft in Amsoldingen gibt es leider nicht mehr auf der Webseite des Schweizer Jakobswegs. Als Alternative steht dort die Privatunterkunft Erich und Marianne Liechti.

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