Schweizer Jakobsweg – Tag 9

Schweizer Jakobsweg – Tag 9

Dienstag, 22.06.2021: Vom Kloster Bethanien bis Brienzwieler (29 km)

Kündigen sich besondere Tage morgens an? Ich weiß es nicht! Aber der Himmel zeigte sich nach dem Gewitter am Abend von seiner besten Seite und präsentierte sich weiß-blau. Ich hatte mir 29 km vorgenommen, mit zwei größeren Steigungen über den Kaiserstuhl und über den Brünig-Pass.

Da dachte ich aber noch nicht dran, als ich am Morgen mit Martin und Magdalena frühstückte. Wir hatten alle die Pilgerherberge in Brienzwiler als Etappenziel. Ich machte mich als erster auf den Weg mit der Gewissheit, dass wir uns unterwegs eh über den Weg laufen und uns am Abend wohl in der Pilgerherberge wiedersehen.

Flüeli-Ranft: Eine wunderbare Oase, wo Nikolaus von Flüe sein Leben verbracht hat

Bis zu den Ranft-Kapellen kurz vor Flüeli-Ranft war es vom Kloster etwa eine halbe Stunde zu laufen. Flüeli-Ranft ist bekannt durch Niklaus von Flüe oder auch Bruder Klaus genannt. Er lebte im 15. Jahrhundert als Einsiedler und Mystiker in Flüeli. Er gilt als Schutzpatron der Schweiz. 1947 wurde er heiliggesprochen. Ich kam an zwei kleine Kapellen vorbei und an dem Haus, in dem Niklaus von Flüeli gelebt hat. Es gibt wirklich eine wunderbare Energie dort, die mich irgendwie gefangen nahm. Ich blieb dort eine Zeitlang sitzen, um diesen besonderen Ort auf mich wirken zu lassen.

Das Pax-Montana Hotel kann einen Tatsächlich an Thomas Mann und den Zauberberg denken lassen

Nach einer kurzen Steigung kam ich dann in den eigentlichen Ort Flüeli-Ranft, das vom großen Pax Monatana Hotel beherrscht wird. Gerade als ich an dem Hotel vorbeikam, kam ein Mann mit schwerem Rucksack und einer Ukulele auf dem Rücken aus dem Hotel. Er ging etwa 50 Meter vor mir und hatte scheinbar den gleichen Weg wie ich. Es war schon irgendwie eine besondere Persönlichkeit. Er hatte lange, rötliche Haare und er erinnerte mich – wenn er es hier liest, mag er es verzeihen – an Catweazle. Ich konnte überhaupt nicht einschätzen, wie alt er war. Ich kam ihm langsam näher und überholte ihn. Dabei wechselten wir ein paar Worte und gingen dann ein ganzes Stück gemeinsam den Weg hinab bis Sachseln. Es war recht interessant, was er zu erzählen hatte. Er war schon ein paar Wochen unterwegs, war aus dem Schwäbischen bis hier hin gelaufen – meistens dem Jakobsweg folgend. Den wollte er aber morgen verlassen und Richtung Wallis laufen. Dass er so schwer bepackt war, lag auch daran, dass er neben der Ukulele ein Zelt mitschleppte, inklusive Kocher und Kochgeschirr. Jetzt hatte er sich aber zwei Tage das Pax Montana Hotel gegönnt, weil es ihn – so erzählte er mir – an das Hotel bzw Sanatorium in Davos aus dem Buch von Thomas Mann „Der Zauberberg“ erinnerte. Und ich musste ihm Recht geben. Es hatte etwas Besonderes dieses Hotel, auch von außen.

Am Saarner See fing es wieder leicht an zu regnen

In Sachseln trennten wir uns, weil ich der Kirche einen kurzen Besuch abstatten wollte und er mir zu verstehen gab, dass er mit Kirchen gar nichts anfangen konnte. Dafür traf ich in Sachseln wieder auf Magdalena und Martin, die mich an den Kapellen in Flüeli überholt hatten und jetzt in Sachseln erstmal eingekauft hatte. So ging ich jetzt mit den beiden am Ufer des Samersees entlang. Es fing zwar wieder etwas an, zu regnen. Aber nach der Hitze der letzten Tage war das gar nicht so unangenehm. Wir gingen gemeinsam bis nach Giswil, wo wir auf einen Kaffee einkehrten.

Als wir uns wieder aufmachten, mussten wir uns erstmal orientieren, weil wir den direkten Weg in den Ort gewählt hatten und die Beschilderung etwas aus den Augen verloren hatten. Als wir gerade noch am Suchen waren, wo der Weg weiterlief, kam auch Ivo des Weges – so hieß mein Begleiter vom Pax Montana.

Kurz hinter Giswil ging es dann doch recht steil bergauf Richtung Kaiserstuhl. Magdalena und Martin zeigten, dass Schweizer Polizisten topfit sind. Sie waren auf jeden Fall deutlich schneller als ich. Ich wiederum war etwas schneller als Ivo mit seinem großen Gepäck. So ging ich allein den Weg zum Kaiserstuhl hinauf.

Oben am Kaiserstuhlsee angekommen schaute ich mich etwas um und es dauerte keine 5 Minuten, bis auch Ivo ankam. Gemeinsam zogen wir dann weiter und es entwickelte sich eine sehr interessante Unterhaltung, denn Ivo hatte wirklich einiges zu erzählen. Ich hatte ursprünglich gedacht, dass er Student sei, eventuell gerade fertig geworden und jetzt die Zeit bis zum Berufsanfang nutzen würde, um durch Europa zu laufen. Mit Uni lag ich nicht ganz verkehrt. Aber er war Doktor der Informatik, hatte einige Jahre geforscht in Kanada und Frankreich und hatte jetzt eine Professur an einer Universität in Deutschland angenommen.

Am Kaiserstuhlsee – traumhafte Ausblicke

Es stellte sich auch schnell raus, dass er kein abgehobener, etwas weltfremder Wissenschaftler war, sondern sehr bodenständig und praktisch begabt. Wir hatten uns tatsächlich viel zu erzählen und es war eine besondere Etappe, die mir sehr gut in Erinnerung geblieben ist.

Wir gingen am Kaiserstuhlsee bis nach Lungern, wo wir zum Mittagessen einkehrten. Denn hinter Lungern wartete die nächste Steigung auf uns. Es ging noch mal 300 hm durch den Wald hinauf zum Brünig-Pass auf über 1000 Meter. Von dort mussten wir aber auch noch 400 Meter absteigen, um nach Brienzwieler und die dortige Pilgerherberge zu kommen. Oben am Brünig-Pass gab es ein Schild, das noch 1,5 Stunden bis nach Brienzwieler anzeigte. Es war auch genau die Zeit, die wir dann noch brauchten bis zur Herberge. Es regnete zwar nur noch leicht, aber es war sehr feucht und entsprechend rutschig.

Am Brünig-Pass – Mal wieder auf über 1000 m Höhe

In der Pilgerherberge empfingen uns Susi und Heidi, die in der Woche Dienst hatten. Obwohl wir nicht angemeldet waren, zauberten sie uns ein wunderbares Essen und versorgten uns anschließend mit Tipps für die weiteren Wege. Ivo bekam detaillierte Wetter- und Wege-Informationen, da er am nächsten Tag ins Wallis wollte und dazu auf über 2000 aufsteigen musste und entsprechend mit Schnee zu rechnen hatte. Zum Schluss spielte uns Ivo noch auf seiner Ukulele auf und beschloss damit einen wunderbaren Tag auf dem Jakobsweg.

Wen wir leider nicht antrafen in der Herberge waren Magdalena und Martin. Ich denke die beiden waren relativ früh in Brienzwieler und sind noch weiter gewandert. Leider habe ich sie auch an den nächsten Tagen nicht mehr getroffen. 😐

Praktische Tipps

Die Pilgerherberge in Brienzwieler ist unbedingt zu empfehlen. Gut gelegen, sauber und bietet einfach Pilgerflair. Die Betreuung wechselt von Woche zu Woche. Wir hatten mit Susi und Heidi wirklich Glück, die uns sehr gut bewirteten und mit denen wir einen unterhaltsamen Abend verbrachten. https://www.pilgerherberge-brienzwiler.ch/

Wir kamen unangemeldet, es ist aber wahrscheinlich besser, vorher anzurufen und sich anzumelden. So können die Betreuer sich darauf einstellen und auch entsprechend einkaufen.

Zum Mittagessen kehrten wir in Lungern im Gasthaus Kaiserstuhl ein. Wir haben dort gut gegessen und getrunken. https://sinnvollgastro.ch/unsere-betriebe/hotel-kaiserstuhl

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert